Die Haltung im Rinzai Zen

Das Hara, die Mitte des Menschen, spielt im Zen eine große Rolle wenn man sitzt und
meditiert. Das hat schon mit der Handhaltung zu tun, man hat die Hände unten am Bauch.
Viele sagen, das wärmt so schön. Man wärmt sich selber. Es ist aber natürlich das
Augenmerk, dass hier der Mittelpunkt des Menschen ist. Das ist wichtig, da wir in der
heutigen Zeit unglaublich viel denken. Wir denken dauernd, wir müssen dauernd bewerten
und urteilen, dauernd entscheiden. Nehme ich einen Cappuccino oder einen Espresso, kaufe
ich das umweltfreundliche Waschmittel oder das umweltfeindliche Waschmittel, welches
aber die Flecken aus der Wäsche wirklich entfernt. Dauernd, jeden Tag müssen wir hunderte
Entscheidungen treffen, das ist sehr anstrengend. Wenn man ein Foto machen würde von
uns, wie wir denken, wäre eine finstere, dichte Wolke über unserem Kopf. Energetisch
gesehen, ist daher das Meditieren und die Bewusstheit auf das Hara, auf die Mitte, auf
unseren Bauch, eine Möglichkeit, diese Wolke herunter zu holen. Je länger man in Stille
meditiert, desto lichter wird diese Wolke und desto harmonischer und ausgewogener wird
unser Geist. Die drei Körperzentren, der Geist, das Herz und das Hara können dann
miteinander reden. Sonst redet immer nur der Kopf. Es gibt bei vielen Menschen eine
Blockade, wo der Atem gar nicht tiefer kommen kann. Es kommuniziert nichts von oben nach
unten. Wir sind aber nur ganzheitlich ein ganzer Mensch, eine ganzheitliche Persönlichkeit,
wenn diese Kommunikation funktioniert, wenn die einzelnen Teile energetisch miteinander
sprechen. Dies spielt im Zen eine Rolle. Hier knüpft Zen an chinesische energetische Lehren
an.
In Japan kam eine zusätzliche Dimension hinzu, die sogenannte Form. Die Form ist, wie
man etwas macht, die Etikette quasi. Früher gab es viel mehr Etikette. Als ich klein war,
haben Männer noch den Hut gelüftet, wenn sie eine Frau sahen oder sie hielten die Tür auf.
Dies sind Regeln, die ein Miteinander ermöglichen. So ähnlich ist es im Zen auch, es gibt
einen Verhaltenscode, der dafür da ist, dass wir möglichst schnell und tief in die
Konzentration kommen. Dies beginnt gleich an der Tür, wenn wir uns alle verbeugen. Jeder
verbeugt sich und geht entlang der Matten zum eigenen Platz, in voller Konzentration. Die
Übung beginnt bereits an der Tür. Es ist nicht so, wie es in undisziplinierten Yoga-Stunden
(es gibt wohl andere auch) ist, dass jeder seine Wasserflasche und seine Tasche mitnimmt,
irgendwie in den Raum hineingeht, sich irgendeine Matte sucht, mit der Nachbarin plaudert.
Das passiert hier nicht. Man geht schweigend hinein. Das entlastet auch gleichzeitig, man
muss nicht reden, man muss auf die anderen nicht achtgeben. Daher sind wir dunkel
gekleidet, damit wir nicht abgelenkt werden. Nachdem wir die Augen offen haben, würde es
ablenken, wenn jemand etwas Schreiendes anhätte. Auch bei der Gehmeditation würde man
im Augenwinkel immer sehen, wenn jemand bunte Socken anhätte. Dies lenkt ab vom
Innewerden. Diese Form, wie man Sachen macht, schafft auch eine Klarheit. Wenn man
weiß, wie etwas geschehen soll, akzeptiert man das oder eben nicht und geht hinaus. So
streng sind wir zwar nicht, aber es geht immer wieder auf diese Form zurück, da dies eine
Idealform ist, um in die Konzentration zu gehen.
Wir verbeugen uns beim Eintreten, was die Verbeugung bedeutet, kann jeder für sich selber
beantworten. Das Schöne an diesen immer gleichen Abläufen ist, dass ihre Bedeutung sich
verändert, weil wir uns verändern. Ich war, als ich zu meditieren begonnen habe, sehr
angetan von der Vorstellung, dass sich beim Ineinanderlegen der Hände der Yin- und Yang-
Kreis schließe. Tatsächlich kann man spüren, dass man konzentriert ist, wenn man die
Hände aneinander legt. Was bedeutet es wirklich? Was passiert, wenn man die Hände
aneinander legt? Der eine wird sagen: Schon wieder so eine religiöse Sache, im
Katholizismus hat es schon geheißen, man muss die Hände aneinander legen. Der andere
denkt sich gar nichts und probiert es einfach aus. Die dritte sagt sich vielleicht: Es ist der
Anfang meiner Übung, ich begrüße den Raum. So gibt es viele verschiedene Möglichkeiten

der Beantwortung und es fallen mir immer wieder neue ein. Gewöhnlich tut man es dann
einfach in einer konzentrierten Energie. In dieser Haltung gehen wir weiter. Im Zen gibt es
drei Handhaltungen, die Hände sind immer beieinander. Beim Meditieren legen wir die
rechte Hand unterhalb des Nabels, vom Bauchnabel drei Fingerbreit nach unten, dort sollte
die Mitte der Hand sein. Die linke Handfläche kommt über die rechte, die zwei Daumen
verschränken sich. So sitzt man mit gerader Wirbelsäule. Die Schultern sollten nicht
verspannt sein. Die Nackenwirbelsäule sollte auch gerade sein. Das ist nicht einfach, denn
meistens sitzen wir ein bisschen zusammengesunken. Das Kinn kann eine Spur zur
Wirbelsäule nach hinten gehen, dadurch streckt sich die Nackenwirbelsäule. Der Mund ist
geschlossen, die Augen halboffen. In dieser Haltung sitzen wir dann auf unseren Bänkchen.
Zum Vergleich nehmen wir jetzt einmal eine andere Handhaltung ein. Wir geben die Hände
auf die Knie und schließen die Augen und versuchen zu spüren, was dies mit uns macht, wie
wir uns fühlen. Jetzt legen wir die Hände wie vorhin über den Bauch, die linke Hand über der
rechten und versuchen zu spüren, ob zur vorigen Handhaltung ein Unterschied ist. Der
wesentliche Unterschied ist, dass man bei der ersten Handhaltung offener ist, während man
sich bei der zweiten stärker auf sich selber konzentriert. Die erste Handhaltung gibt es im
tibetischen Buddhismus und auch im indischen. In der Form des tibetischen Buddhismus,
wie ich sie kennen gelernt habe, hatte man die Augen geschlossen und visualisierte sich
etwas zum Raum hinaus. Man hat sich vorgestellt, man geht auf eine Phantasiereise hinaus.
Wie man sich im Yoga manchmal sagt, man stellt sich eine Lichtung im Wald vor, einen
Bach, man ginge spazieren. Im Yoga hat man auch eine offenere Handhaltung. Die
Handhaltung im Zen fördert die Konzentration und das ist die wesentliche Übung im Zen.
Wir sitzen schweigend neben einander. Böse Zungen sagen, deswegen gebe es so viele
Männer im Zen, da sie nichts reden müssen. Tatsächlich gibt es immer einen
Männerüberhang, während es im Yoga mehr Frauen gibt. In dieser konzentrierten Haltung
bleiben wir auch bei der Gehmeditation und bei allem, was wir machen.